Posen (AP) Alles ist relativ in diesen Tagen in Posen. Der afrikanische
Delegierte zieht sich auf dem Weg aus dem Kongresszentrum fröstelnd den
dünnen Mantel um die Schultern und wünscht sich nach Hause zu heimeligen 32
Grad, wie er sagt. Der Taxifahrer am nahen Bahnhof dagegen ist besorgt,
weil es schon Mitte Dezember ist und noch kein Schnee liegt. Früher sei das
anders gewesen, sagt er düster mit Blick auf den Klimawandel. Und genauso
unterschiedlich bewerten die Teilnehmer der Weltklimakonferenz, die sich
bereits seit eineinhalb Wochen in der polnischen Stadt hinzieht, den
Fortschritt der Verhandlungen. «Wir sind eigentlich ganz zufrieden», sagte
der französische Unterhändler Brice Lalonde am Mittwoch. Umweltschützer
sehen das ganz anders. «Momentan bewegt sich nicht viel», sagte der
Präsident des Naturschutzbundes NABU der AP am Rande der Konferenz. «Es
sieht auch nicht so aus, als würde es hier wirklich Ergebnisse geben. Denn
alles schaut gebannt nach Brüssel.»Dort werden am (morgigen) Donnerstag die
entscheidenden Verhandlungen über das Klima-Paket der EU geführt, während
gleichzeitig die Umweltminister aus 145 Ländern in Posen versuchen, auf dem
Weg zu einem weltweiten Klimaschutzabkommen voran zu kommen. Beides hat
eigentlich nicht allzu viel miteinander zu tun, zumal die EU ihre
internationalen Klimaschutz-Ziele bereits vor eineinhalb Jahren bekannt
gegeben hat und davon auch nicht abrücken will, wie EU-Umweltkommissar
Stavros Dimas am Mittwoch bekräftigte. Und dennoch scheinen die schwierigen
EU-Verhandlungen jeden Fortschritt in Posen zu bremsen.USA als lahme
Ente«So eine Konferenz braucht immer jemanden, der führt», sagte
NABU-Präsident Tschimpke. Bei früheren Klimagipfeln - gerade auch bei dem
dramatischen Treffen auf Bali - sei der EU diese Rolle zugefallen, die mit
ihrem ehrgeizigen Klimazielen weltweit den Ton angab. Nun führe - wegen der
eigenen Meinungsverschiedenheiten - die EU nicht, «und auch niemand sonst
tut es», sagte der Umweltschützer. Denn auch die USA, deren nächster
Präsident Barack Obama sich zu ehrgeizigem Klimaschutz bekennt, ist in
Posen wegen des bevorstehenden Amtswechsels nur eine lahme Ente. Und alle
Industrieländer konzentrieren sich auf die Wirtschaftskrise, die den
Klimaschutz aus den Schlagzeilen verdrängt hat.Dabei sind die
Interessenkonflikte in der EU wie ein Vorgeschmack auf das, was für das
weltweite Klimaabkommen auch global debattiert und gelöst werden muss - so
sieht es Bundesumweltminister Sigmar Gabriel, der am Rande der
Klimakonferenz einen Auftritt mit RWE-Power-Chef Johannes Lambertz
bestritt. In der EU gebe es eben auch Norden, Süden und Osten, arme und
reiche Länder, solche mit viel Kohle und solche mit viel erneuerbaren
Energien, und die Interessen müssten unter einen Hut gebracht werden. Die
EU müsse vormachen, dass dies möglich sei, sagte Gabriel.Auch bei dem
künftigen weltweiten Klimaabkommen, das 2009 in Kopenhagen unterzeichnet
werden soll, müssen zentrale Verteilungsfragen geklärt werden: Wie stark
müssen Industrieländer sich einschränken, um die Klimagasemissionen
drastisch zu verringern und die globale Erwärmung zu bremsen? Wie viel
Entwicklung wird den Entwicklungsländern erlaubt? Wie viel finanzielle
Hilfe leisten die Reichen den Armen? Letztlich muss alles verschnürt und
verpackt werden zu einem großen Paket. Davon allerdings ist das, was in
diesen Tagen in Posen passiert, noch ziemlich weit entfernt. Statt um die
großen Linien geht es um sehr kleinteilige, komplizierte Fragen.Zwtl :
Trippelschritte zum ZielSo begründete EU-Unterhändler Lalonde seine
Zufriedenheit unter anderem damit, dass ein «Arbeitsprogramm» füer die
Verhandlungsgruppe zu «langfristigen gemeinsamen Aktivitäten» beschlossen
worden sei. In der Welt der UN-Verhandlungen gilt so etwas schon als
kleiner Durchbruch, auch wenn Unbeteiligte einigermaßen ratlos vor solcher
Art Fortschritt stehen. Ähnliche Trippelschritte gibt es bei ebenfalls heiß
umstrittenen Themen, etwa wie Waldschutz in den künftigen Klimavertrag
eingebunden wird, oder wie der Fonds finanziert wird, der armen Ländern bei
der Anpassung an den Klimawandel helfen soll oder wie die «flexiblen
Instrumente» aus dem Kyoto-Protokoll reformiert werden.Derzeit aber kocht
all dies auf kleiner Flamme, da erst in Kopenhagen in einem Jahr alles
verknüpft werden soll. «Es wird hier nicht zu bahnbrechenden Entscheidungen
kommen können», sagte Umweltminister Gabriel. Umweltschützer sorgen sich
jedoch, dass in Posen zu viel Zeit verplempert wird, die später in
Kopenhagen fehlen könnte. «Die Zeit ist nicht auf unserer Seite», sagte
Jake Schmidt vom Climate Action Network, die die Verhandlungen in Posen
kritisch begleitet. Die Umweltminister, die ab Donnerstag die Verhandlungen
führen, müssten nun ihr politisches Gewicht in die Waagschale werfen.© 2008
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Wednesday, December 10, 2008
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